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Lambrecht (Pfalz)

Stadt der Geißbock-Festspiele

Geißbock-Festspiel

Das historische Lambrechter Geißbock-Festspiel

Alle fünf Jahre an Pfingst-Sonntag und Pfingst-Montag wird die über tausendjährige Geschichte der kleinen Tuchmacherstadt mit dem Geißbock-Festspiel wieder lebendig.

Der Lambrechter Ernst Schäfer verfaßte das St. Lambrechter Geißbockspiel im Jahr 1933. Er legte die Geschichte von Lambrecht seinem Spiel zu Grunde. Schäfer war seit 1933 Dramaturg mit Schauspielverpflichtung im Charakterfach am damaligen Saarpfälzischen Landestheater in Kaiserslautem. Das Spiel wurde zum erstenmal 1934 auf einer Freilichtbühne im Beerental aufgeführt. Zunächst wurde es jährlich mit Schauspielem vom Landestheater aufgeführt. Nach dem Krieg ging es 1951 weiter. Der Verkehrsverein hatte von der Witwe von Emst Schäfer, Else Schäfer, die Aufführungsrechte erworben. Das Stück wurde nun nicht mehr alljährlich, sondem zunächst in unregelmäßiger Folge, später in einem Fünf-Jahres-Rhythmus aufgeführt. Die Rollen wurden fortan mit Laiendarstellem besetzt.

1952 wurde das Festspiel mit dem Wallonenbild (4. Bild) und 1977 mit dem  Napolenakt (6. Bild) ergänzt, beide geschrieben von Luitpold Seelmann.

Das Geißbock-Festspiel wird in acht Bildern  dargestellt, welche nicht nur das Leben und die Schicksale der Stadt widerspiegelt, sondern auch echtes Plälzer Brauchtum. Es zählt ohne Zweifel zu den größten Freilichtveranstaltungen im südwestdeutschen Raum. Über 100 Mitwirkende erinnern dabei an das Gründungsjahr 977 mit der Klostergründung von St. Lambrecht, erzählen aus dem Leben und den Schicksalen ihrer Bewohner bis in die heutige Zeit mit der Geißbocklieferung der Stadt Lambrecht an die Stadt Deidesheim für Weide- und Holzrechte in deren Wald.

Das nächste Geißbockfestspiel findet 2023 statt.

 

Programmheft Geißbock-Festspiel 2018 (PDF)>>>


Das Spiel der tausendjährigen Geschichte:

1. Bild:
Im Jahre 977 stiftet Graf Otto, Herzog von Kärnten und Rheinfranken, der Großvater von Kaiser Konrad II., zu Ehren des Heiligen Lambertus, Bischof von Maastrich, an dem Weiler „Gravenhusen“ (Grevenhausen) ein Bethaus, in welchem nach seinem Willen Benediktinermönche für alle Zeiten leben und wohnen sollten. Das reich beschenkte Kloster erlangte Wohlstand und Ansehen und wirkte wohltätig auf die Kultur des Bodens und die Bildung des Geistes. – Graf Otto von Worms kommt mit seiner Gemahlin und Gefolge angeritten, um dem Abt die Besitzurkunde zu übergeben und die Erstlingsweihe vorzunehmen.

2. Bild:
Nach 250 Jahren sind die Mönche den ihnen von ihrem Ordensstifter auferlegten Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen, das Kloster wurde nach ihrer Vertreibung an Nonnen des Dominikanerordens übergeben, viele Töchter adliger Familien wurden in dem weithin bekannten Kloster erzogen. Adelheid, eine Klosterschülerin, bekennt der Äbtissin ihre Liebe zu Heinrich, Ritter von der Spangenberg. Sie ist todunglücklich, weil sie schon einem anderen Mann versprochen ist. Heinrich dringt bis zum Kloster vor, um seine große Liebe zu entführen, die ihm schließlich willig folgt.

3. Bild:
Um das Kloster hat sich im Laufe der Zeit das Dorf St. Lambrecht gebildet und mit Grevenhausen zu einem Doppelort zusammengeschlossen. Seit „urfürdenklichen Zeiten“ besitzen die Bewohner das recht, im Deidesheimer Wald ihr Vieh zu weiden, müssen aber dafür alljährlich einen Geißbock nach Deidesheim liefern. So war es durch Kaiser Ruprecht im Jahre 1404 festgelegt worden. Im Kaiserpalast zu Worms streiten sich recht deftig die Vertreter aus Deidesheim und St. Lambrecht über die Lieferung des Geißbockes. Der Kaiser muss die „Pfälzer Feuerköpfe“ zur Ressson bringen, der Vertrag der Geißbocklieferung wird unterzeichnet.

4. Bild:
In den Jahren 1556 bis 1569 herrschen in Frankreich und Belgien Religionskriege, zahlreiche Wallonen müssen ihre Heimat verlassen. Die verfolgten Glaubensflüchtlinge treffen in Lambrecht ein, es wird ihnen in dem von den Nonnen verlassenen Kloster durch Kurfürst Friedrich III. und dem Pfalzgrafen Johann Casimir Zuflucht gewährt und ihnen Glaubensfreiheit zugestanden. Die Lambrechter Bürger sind alles andere als glücklich über die neuen Mitbewohner, weil noch bittere Not im Tal nach großer Kriegsfehde herrscht. Doch die Neubürger bringen die Kunst des Wollewebens und Tuchmachens in das Lambrechter Tal und damit auch Wohlstand und Glück.

5. Bild:
Die Stürme des 30jährigen Krieges sowie der Pfälzische Erbfolgekrieg bringen Elend, Not und Verwüstung nach Lambrecht. Betrunkene und wütende Landsknechte jagen die Bevölkerung davon, erpressen Geld und sonstige Wertgegenstände von den Bewohnern des Tales, schrecken auch nicht vor Morden zurück. Krieg, Hunger und Pest wüten im Lambrechter Tal, machen aus einer blühenden Landschaft ein Trümmerfeld. Mit Schwert und Flammenband zieht der Krieg verheerend durch das deutsche Land, bringt Elend, Not und Qual, hinterlässt ein schauriges Todesgrauen, in seinem Gefolge auch Hunger und Pest.

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Die Schrecken des 30jährigen Krieges sind zu Ende, die Verkündigung des Friedens gibt den schwergeprüften Lambrechtern wieder Mut und Kraft zu neuem Schaffen, aus Trümmern und Ruinen beginnt ein neues, starkes und junges Leben zu sprießen, Friedenstauben flattern in den Himmel.

6. Bild:
Der Franzosenkaiser Napoleon I. und sein Minister entscheiden am 26. November 1808 im Feldlager Aranda de Duero (Spanien) über die Beschwerde von Deidesheimern dahingehend, dass St. Lambrecht den Tributbock weiter liefern muss, und zwar „un bouc bien cornu et bien capable“ (ein Bock gut gehörnt und gut gebeutelt). Die 13 Punkte umfassende Vereinbarung des Imperators vor 200 Jahren gilt in seinen Grundzügen heute noch. Doch der Geißbockfriede überdauerte Napoleon nicht lange.

7. Bild:
Hier erfolgt die Übergabe des Geißbockes an den jüngsten Bürger. Der Bürgermeister kommt mit Musik und dem Geißbock, um ihn an den jüngstgetrauten Bürger zu übergeben. Seine Frau Lisbeth ist alles andere als erfreut, in der Hochzeitsnacht allein gelassen zu werden. Ihr frisch angetrauter Ehemann soll sich durch den Wald nach Deidesheim begeben, um noch vor Sonnenaufgang mit dem Tributbock dort zu sein, um ihn hier dem Rat der Stadt Deidesheim zu übergeben. Die Braut, nichts von dem alten Brauchtum ahnend, lässt sich vom Bürgermeister überzeugen und sie geht zur Überraschung ihres frisch getrauten Ehemannes mit nach Deidesheim.

8. Bild:
Wie schon des öfteren gab auch das Jahr 1851 Anlass zu einem Bockprozess zwischen Lambrecht und Deidesheim. – Der Rat der Stadt Deidesheim steht bei Sonnenaufgang alleine da, es ist noch kein Bock in Sicht, was für Unmut sorgt, die Räte berufen sich auf den Vertrag von Kaiser Ruprecht. Schließlich erscheint das junge Paar mit dem Bock auf einem Leiterwagen, was ebenfalls nicht dem Vertrag entspricht und für helle Aufregung sorgt. Den Räten ist der Bock zu klein, sie sprechen von einer „Jammergestalt“. Nach großem Gezeter um den Bock in recht derber pfälzischer Mundart wird die Bockannahme verweigert, mit entsprechender Strafe wird gedroht. Das Lambrechter Brautpaar zieht schließlich mit dem Bock wieder ab.

 

von Harald König
Fotos: Geißbockfestspiel 1982